IX - Wirtschaftsbeziehungen

154. FREIHANDEL ODER STAATSWIRTSCHAFT

Vermerk des Ministeriums für Außenbeziehungen über einen Bericht des Münchner Magistrats von 1795 betreffend den freien Kornhandel in Bayern

9 Frimaire Jahr V (29. November 1796), Paris, CHAN

Der Freihandel, das wirtschaftliche Konzept der Physiokraten, wurde von der Französischen Revolution ebensowenig angenommen wie vom Ancien Régime. Grund dafür war einerseits das Fortleben des Colbertismus, einer merkantilistischen Wirtschaftpolitik Frankreichs seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, andererseits erklärt sich diese Tatsache als eine Folge der Ernährungskrisen und der Kriegswirtschaft, die das Land von 1792 bis zum Ende der napoleonischen Periode prägten. Indessen weckte der Kommentar eines diplomatischen Beamten des Direktoriums das Interesse, als er über die Ernährungsschwierigkeiten und über die 1795 geführten Debatten über die Einführung des Freihandels mit Korn in Bayern berichtete. Auch wenn dies durch die geplante Einrichtung eines Kornspeichers für die Versorgung der Münchener Bevölkerung an Aktualität schon wieder verloren hatte, so leitete das Direktorium den Bericht doch sofort an das Innenministerium weiter. Der Innenminister teilte die Ansichten des Verfassers über die Nachteile des Colbertschen Merkantilismus nicht, daß jener nämlich »die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft, der einzigen Quelle des nationalen Reichtums unterdrücke, und als Grund dafür angesehen werden müsse, daß Frankreich nicht mehr den wohlhabenden und blühenden Staat darstelle, der er unter dem Ministerium des weisen Sully einst war.«

© 2006, Montgelas-Gesellschaft zur Förderung der bayerisch-französischen Zusammenarbeit e.V.; München/Paris; ISBN: 3-939395-01-3

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