VI - Napoleon

101. EIN BAYERISCHER SOLDAT BEGEGNET NAPOLEON AUF DEM RÜCKZUG AUS RUSSLAND

 

Tagebuch des Infanteristen Joseph Deifel

Nach 1812, München, BayHStA

Joseph Deifel, einfacher bayerischer Soldat, berichtet vom Rückzug der »Grande Armée«: An einem Dezembermorgen gegen 7 Uhr betritt ein Fremder, ohne ein Wort zu sagen, die einfache Soldatenunterkunft, mischt sich schweigend unter die vor dem Feuer stehenden Soldaten, um sich aufzuwärmen. Nach fünf Minuten verläßt er schweigend mit gesenktem Haupt den Raum. Da schreit Deifels Kamerad: »Kamerathen, Brüder, Brüder! Der Kaiser Naboleon, der Naboleon ist der gewesen, der da stand am Feuer …« Alle sehen, wie Napoleon seinen Pferdeschlitten besteigt und über die zugefrorene Memel setzt. Einige Minuten später sind die Kosaken da. Ausschnitt S. 222: »… der große Mann, vor dem ganz Europa zittert, der Millionen zu gebieten hat, war jetzt nichts, ich sehe ihn in seiner tiefsten Erniedrigung … Er war der große Mann, der alles umstoßte, nach seinem Belieben, Geistliches und Weltliches der Kronen und Thronen, Hüte und Stühle verhandelte und vertauschte wie ein Hausierer, er hat alles verloren …« Ausschnitt S. 223: »Er war der Mann, der zu meiner Rechten stand, der ville mit Gewallt erwürgt hat, er, der den Buchdrucker Balm, den Andre Hofer 1810 zu Mantua in Italien …hat erschißen lassen …«

© 2006, Montgelas-Gesellschaft zur Förderung der bayerisch-französischen Zusammenarbeit e.V.; München/Paris; ISBN: 3-939395-01-3

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